Das Weihnachtsfest…
Darf man Ende Januar noch einmal zurückblicken? Oder muss man schon, beladen mit neuen Vorsätzen, zwanghaft nach vorne schauen, um im diesem Jahr natürlich alles anders zu machen? Ich bin weder eine Freundin ewiger Rückblicke noch fokussiere ich mich auf wage Zukunftsvisionen. Aber der Weihnachtspost ist mir eine liebgewonnene Tradition geworden. Und es ist auch fast das einzige, was traditionell gleichgeblieben ist: darüber zu schreiben. Denn das eigentliche Weihnachtsfest selbst fiel in den letzten Jahren sehr unterschiedlich aus: Menschen kamen und gingen, der Rahmen änderte sich. Aber eines bleibt doch gleich: der Wunsch, diesen Tag mit den engsten und liebsten Menschen zu verbringen.



Traditionen…
…sind etwas Wunderbares. Wiederkehrende Feste, sich wiederholende Rituale geben unserem Alltag Haltepunkte, Vorbereitungen müssen getroffen werden, Vorfreude stellt sich ein. Weihnachten gehört zu den Hochfesten in unserem Jahresablauf. Dies hat in unserer Familie weniger mit Dekoration und Geschenken, als mit dem Beisammensein, dem gemeinsamen Essen am Tisch, welches sehr einfach gehalten ist, damit niemand in der Küche stehen muss, mit den kleinen verpackten Geschenken zu tun, wobei wir der Enthüllung jedes einzelnen zuschauen und keiner parallel auspacken darf.
Das erste Weihnachten…
…ohne meine Mutter. In den Wochen davor stellte sich eine gewisses Bangen ein, ob wir den Tag gut überstehen würden. Und wie so oft, wenn man Dinge und Situationen antizipiert – sind sie erst einmal da und eingetroffen, nimmt man sie viel besser als erwartet und der vermeintliche Schrecken, die Trauer fällt weniger schlimm aus als gedacht.
Die Weihnachten der letzten Jahren hatten so verschiedene Gesichter, so unterschiedliche Gestalten, dass wir flexibel geworden sind in unserer inneren Haltung. Würde jemand ein pompöses Fest gestalten, wären wir dabei (vorausgesetzt ich muss nicht in der Küche stehen und es findet nicht in meinem Zuhause statt), würde es ein einfaches Beisammensein geben, wäre es auch in Ordnung. Ich habe – nachdem die Kinder aus dem Haus sind – einige Parameter radikal gekürzt: der echte Tannenbaum wich einem rustikalen Plastikbäumchen mir integrierter Lichterkette, welches vermutlich sein heiliges Licht in einer chinesischen Traumfabrik erblickt hat. Daran hängen die kitschigsten Tierchen in unrealistischen Kostümen und Farben: der Löwe lächelt, den rosa Pudel krönt ein weisses Häubchen und weiß der Teufel, was mich da geritten hat, als ich diesen bunten Wahnsinn an Kinkerlitzchen gekauft und an den Plastikbaum geschmissen habe. Ja, früher war mehr Lametta, echte Kerzen, Mutter spielte Weihnachtslieder am Klavier, wir sangen, die Kinder sagten Gedichte auf und musizierten und natürlich wurde die Weihnachtsgeschichte aus dem Neuen Testament vorgelesen. Aber all das verlor und verschob sich…



Du fehlst…
…denkt man sich. Und doch finden wir immer einen Weg, die Lücke, die der Mensch hinterlässt mit liebevollem Gedenken ein wenig zu füllen. Weder aufgesetzt fröhlich, noch zwanghaft erinnernd. Auch die geänderten Umstände, die schlichte Erscheinungsform des Festes stört mich nicht. Um es vorweg zu schieben: Ich trauere auch nichts nach. Vielleicht ein wenig. Aber ich halte es für komplette Zeitverschwendung, tränenumflort in die Vergangenheit zu blicken und dort verlorenen Zeiten nachzuweinen. Sie sind vergangen. Sie haben uns geprägt und waren wichtig. Und dann ändern sich die Gegebenheiten.


Alles ist im Wandel…
Mit der Rückkehr nach München standen die Weihnachten der vergangenen Jahre unter diversen Sternen und Begebenheiten: Mal fehlte ein Familienmitglied, weil es ausgezogen war, mal gab es ein Patchwork-Weihnachten mit allen Kindern und verlorenen Freunden, die keine Familie mehr hatten, mal feierte ein muslimischer Gast mit und ließ es nicht an Achtung und Geschenken fehlen, mal war es sehr lustig, manchmal auch traurig, wenn wir merkten, dass wir über die Jahre immer mehr Fotos mit Kerzen davor aufstellen mussten…der Toten wird gedacht, sie sind Teil der Feste, wenn wir auf ihre Bilder schauen, ihr Licht brennt und wir ihnen zuprosten.

Für Kinder ist Weihnachten ein schwieriges Fest, wenn ein Elternteil fehlt. Meine und Wolfs Kinder müssen damit seit Jahren leben, dieses Jahr war ich dieses Kind. Mein Vater las die Weihnachtsgeschichte und dann ein Gedicht über Tod und Hoffnung. Wir alle hatten feuchte Augen, aber keiner musste weinen. Und so gingen wir über zu einem traditionellen Weihnachtsgedicht, dicht gefolgt von Bier, Wein und Essen. Die Geschenke wurden mit großem Hallo der Reihe nach ausgepackt und endeten mit einer fulminanten Nachspeise und Schnaps.
Die Heimreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln traten wir nahezu alleine an: Der Marienplatz war leer, das Untergeschoss auch und in der U-Bahn saßen nur vereinzelt Menschen. Ich wünschte ihnen innerlich, dass sie das freiwillig und ohne Traurigkeit im Herzen tun mussten. Denn das ist der wirkliche Geist von Weihnachten für mich: zu erinnern, dass da draußen vielleicht jemand Trost und Hoffnung braucht, ein inneres Licht, ein Wort, ein Lächeln. Mut zuzusprechen, um den Glauben an sich selbst nicht zu verlieren.
Und daher ist doch eigentlich immer Weihnachten, oder?
Fotos: Wolf Heider-Sawall