Denver Clan – Intrigen und Champagner zum Frühstück

Schulterpolster, Drama und dekadente Stunden: mein Denver-Clan-Abenteuer.

Denver Clan beats Champagne…

…ja, mein Jahr begann mit Champagner und mündete früh im Abgang etwas schal in einem Infekt. Das ist um diese Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Aber natürlich nicht so charmant wie mit Baby genüsslich prickelnde Getränke zu verköstigen. Ich war untröstlich, dass ich mich in dieser unpässlichen Phase an einer Teetasse anstatt an der Champagnerflöte festhalten musste. Ohne es breit treten zu wollen: ihr könnt euch alle denken, dass ich schon fittere Phasen in meinem Leben hatte. Und doch tat ich etwas Ungewöhnliches in dieser Zeit: nämlich nichts. Etwas, das ich schon ewig nicht mehr getan hatte. Geist und Körper hatten mit dem Infekt ein Meeting und es wurde offensichtlich beschlossen, mich einmal kurz von den Füßen zu fegen. Vielleicht damit endlich etwas Last von den Schultern fällt, welche ich sonst nicht losgelassen hätte. Und wenn nötig, dann eben mit einem passablen Tritt in den Hintern. 

Als ich da so in Agonie lag und mit Kopfschmerzen aus der Hölle rang, gegen den Brechreiz ankämpfte und auch verlor, da dachte ich mir: tue dir irgendetwas Gutes, etwas, das dich ablenkt und dich in eine andere Welt beamt. Und was gibt es da Besseres als sinnbefreite Serien. Der Denver Clan. Wer erinnert sich?

Netflix saved my life

Ich, die bis dato wenn dann nur abends auf Netflix und Co. unterwegs war, da sie sich dank der Pandemie Fernsehen und Co. abgewöhnt hat, griff quasi zum letzten Strohhalm der geistigen Entleerung und schaute tatsächlich und das tagsüber: Denver Clan. Leute, ich muss euch sagen, es war großartig. Nicht, dass ich bewusst danach gesucht hätte, ich wäre auch gar nicht recht dazu imstande gewesen. Aber es erschien ganz oben in der Vorschlagsleiste – der Algorithmus hatte mich offensichtlich als passende Zielgruppe identifiziert, da in den 80ern sozialisiert – und so drückte ich einfach drauf. Zu mehr als drücken war ich eh nicht in der Lage. 

Ich drückte mich also in Verstrickungen, in Dramen aus Familienehre, Familienstreitigkeiten, Hass, Neid, Gier, Sex und Crime, also alles, was uns das Leben so zu bieten hat. Nur halt mit ein paar Euro mehr als unsereiner. Oder als meinereiner. Ich möchte ja schließlich meiner verehrten Leserschaft nicht Armut unterstellen. Ich muss dazusagen: es war Denver Clan 4.0. Das Update. Also Marie Jo, Krystle Carrington, Jeff Colby und Blake Carrington in der Neuzeit. Alle aufgepimpt wie Social Media Influencerinnen. Ich ließ mich also in die Abartigkeiten der Familienfehden hineinziehen, fieberte bei allen Intrigen mit (oder war es gar echtes Fieber?), als ob ich nicht wüsste, dass sich alle Probleme am Ende irgendwie auflösen oder mit Geld geregelt werden würden. Um dann das Elend mit irgendeinem Cliffhanger wieder von vorne anfangen zu lassen.

Wait till the end…

Ich ärgere mich selber darüber, dass ich mich bei filmischen Sequenzen immer so sensibel und emotional mit hineinziehen lasse. Ich bin den Darstellungen des Bildschirms recht schnell ausgeliefert, sei es bei Disneys “Bambi”, wenn bei “John Wick” der Hund erschlagen wird oder Leute auf Social Media tränenreichen Mist von sich geben. Ich bin auch ein totales Opfer, wenn es in irgendeinem Social Media Video heisst “wait till the end”. Ich waite immer till the end und könnte mich dann selbst ohrfeigen, dass ich kostbare Lebenszeit für irgendeinen Nonsens hergeschenkt habe, wo das Ende noch langweiliger ist als die Ziehung der Lottozahlen. Da waitet man auch mit aufgerissenen Augen. Um schlussendlich nichts zu gewinnen. Wenn jetzt in irgendeinem Reel die Aufforderung steht, ich solle doch gefälligst bis zum Ende mich durchgähnen, scrolle ich inzwischen rebellisch weiter und denke mir, dem habe ich´s aber gezeigt. Nicht mit mir.

Denver Clan und das ganz reale Leben

Das Großartige an solchen Serien ist ja, dass alle so fantastisch aussehen und sich ihr Drama in irrwitzigen Villen abspielt, aus denen sie dann und wann tränenumflort in einem sündhaft teuren Auto ihrem Kummer versuchen zu entfleuchen. Ich kann Menschen nicht verstehen, die sagen, komm lass uns in einen ArtHouse Film gehen. Da läuft ein Film wie aus dem richtigen Leben. Ich bitte euch. Wozu ins Kino gehen, wenn mein Leben mir schon alles bietet. Und vor allem so einiges, worauf ich tunlichst hätte verzichten könne. Natürlich kann man, je nach philosophischer oder religiöser Ausrichtung sagen, ja das ist Karma, du Herzchen, das hast du dir selbst ausgesucht aka das ist Gottes Strafe aka nur die Harten kommen in den Garten. Und auf LinkedIn würde ich dazu einen bedeutungsschwangeren und kotzlangweiligen Post über mein “Learning” machen. Sollte eines Tages jemand Phasen meines Lebens in ein Drehbuch packen wollen, würden sogar manche Hollywood Agenten sagen: Schätzchen, bisserl dick aufgetragen. Aber nein, ich musste es ja wirklich erleben. Da möchte ich doch in Film und Fernsehen alles. Nur bitte keine Realität.

Ist das Kunst oder kann das weg

Natürlich gibt es Kunstwerke in jeglicher Form, die durch ihr Erscheinungsbild wichtige Kritik und Entlarvungen am Zustand dieser Welt offenbaren. Aber in Krisenzeiten wie Pandemie, Energie- und globaler Krise möchte ich dem blanken Irrsinn doch dann und wann Perfektes und Illusorisches entgegensetzen. Advantage Denver Clan: Wenn Krystle Carrington sich vor Sorgen um die nächste Bankübernahme verzehrt oder ihre Stieftochter ihr das Leben wieder mal zur Hölle macht, dann ist das doch viel schöner, wenn sie es in fetten Klunkern und einem ihr auf den perfekten Leib geschneidertes Designerkostüm macht. Und wenn Jeff Colby (der Lump!) Fallon Carrington (die Bitch!) um Hof und Ruf bringen will (der ohnehin schon so schlecht ist!), tut er das doch viel stilvoller im Tom Ford Anzug. Da will ich doch nicht sehen, wie sich die gleiche Scheiße in Kleinkleckersdorf im Blümchenkittel abspielt. 

CSI München

Kennt jemand von meiner verehrten Leserschaft noch die Serie CSI Miami? Wie habe ich es geliebt, wenn Horatio Cane, schauspielerisch völlig untalentiert aber doch so versiert in dieser einen Geste, in gefühlten drölfmillionen Folgen die Brille unter der flirrenden Sonne Miamis abzog und wieder aufsetzte. Er tat gefühlt in allen Staffeln nichts anderes, aber die Folge ging immer so aus, dass der Böse zur Strecke gebracht wurde. Von welchem Politiker können wir sagen, er tut nichts aber es geht immer gut aus? Sehen Sie, genau das meine ich. Und wenn dann noch die ungemein attraktive Pathologin auf 12cm Heels zum Tatort eilte, die Ray Ban Sonnenbrille auf ihr perfekt gestyltes Haar steckte und souverän Leichnam und Tatort begutachtete, dann dachte ich immer: ja, das will ich auch. Egal welche Leichen deinen Weg pflastern – sieh zu, dass du immer gut dabei ausschaust. Und nahm es gleich zum Anlass, mit letzter Kraft meiner Tochter, ihres Zeichens Biologiestudentin und dem erklärten Ziel, Forensikerin zu werden, eine Whatsapp zu schreiben: “Tochterkind, sieh zu, dass du deine Mutter stolz machst und zu Tatorten immer in Chanel stöckelst.”

Sie schrieb zurück: “Mama, das ist das Ziel.”

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