Rote Rosen soll es für mich regnen…so dachte ich zumindest an diesem wunderbaren Spätsommertag auf dem Weg zur schönen und einzigsten Insel auf dem Starnberger See. Aber Stadtlockes erhoffte Romantik wurde von optischer Randale durch hässliche Sandale erschlagen. Schlussendlich mussten wir fliehen und fanden unser Heil im Biergarten, Zufluchtsort der Bayern…
Mit leichtem Infekt ging es also an unseren Münchner Haussee.
Baby verordnete zur Erheiterung meines Gemüts eine Fahrt auf die Roseninsel.
Nach 55 Jahren – Asche auf mein Haupt – zum ersten Mal mit der bayrischen Barkasse hinübergesetzt.
Deutsche, solide Ausflügler hatten sich Wanderschaft und Kultur auf die Fahnen geschrieben und das bedeutete: Es wurde in Sandalen und atmungsaktiver Funktionskleidung marschiert. Ohne Ausnahme und ohne Rücksicht auf die Augen ihrer Mitmenschen. Eine optische Randale, nein Zumutung, auf die die Welt verzichten kann. Von den tüchtigen Aggro-Radlern am See, welche schon durch ihren verbissenen Gesichtsausdruck verdeutlichen, dass sie sich auf einer sportlichen Mission befinden und du dich deswegen augenblicklich voller Bewunderung ob ihrer Leistung aus dem Weg und in die Wicken zu werfen hast, ganz zu schweigen…
Ernsthaftigkeit, Leistungsbereitschaft und kulturelle Eroberung sind das Dekret des tüchtigen Bildungsbürgers.
Und so wurde mir von einer Dame auf der zweieinhalbminütigen Überfahrt zur Roseninsel erklärt, welche wunderbaren Museen es in der Umgebung gäbe und mit mildem Lächeln gefragt, ob ich die denn kennen würde. Ich brummte ein „Mhm“ und hatte mich wohl mit Boyfriend Slimcut Jeans, Tanktop, Hippietasche und bunten Sneakern als unwissend geoutet. Von Babys weißer Chino, den Loafern und dem italienischen Sakko mit Einstecktuch ganz zu schweigen. Oberflächlich halt.
Unglücklicherweise lässt leichtes Unwohlsein meine Toleranzgrenze auf den Nullpunkt sinken. Ich werde bissig und unleidlich. Weil noch nicht krank genug, um ganz die Klappe zu halten. Und so grantelte ich über die Roseninsel, weil ich den Sandalen und ihrem Raustrompeten von botanischen und historischen Kenntnissen nicht ausweichen konnte.
Baby fragte, ob es mir gut tun würde, des Kinis wunderbares Häuschen zu besichtigen und als ich kurz davor bin, einzuwilligen, kam eine Sandale um die Ecke, um eine Führung mit 17 Paar weiteren Sandalen anzumelden.
Ich dachte kurz: als guter Christenmensch musst du doch tolerant sein, Äußerlichkeiten sind doch Schall und Rauch.
Aber dann dachte ich an Karl Lagerfeld. An seine Kompromisslosigkeit und Konsequenz. Was hätte er gemacht.
Und dann dachte ich: nein, du willst jetzt ganz und gar nicht tolerant sein. Du willst jetzt in einem Biergarten mit 100 anderen Grantlern sitzen, wos Gscheids essn und über Stillosigkeit meckern. Und dass olle hoamfahrn und mia mei Ruah lassn soin.
Und das haben wir dann gemacht. Und des war richtig schee.
Im Header: Baby als Hippster-Kini und ich als Influencer-Sissi.
Fotos: Wolf Heider-Sawall