James Francis Gill und Marilyn Monroe. Pop-Art der ersten Stunde.

James Francis Gill - Marilyn Monroe Pop-Art
James Francis Gill mit Susanne Graue und Wolf Heider-Sawall

Vernissagenabend in München. Pop-Art and People.

Empfang im Palais Montgelas des Hotel Bayrischer Hof, gereicht wird Crémant und Campari Orange. Eigentlicher Beginn der Veranstaltung: 19h mit einer Einführungsrede zum Künstler und seiner Pop-Art. Da es einige Gäste mit Pünktlichkeit nicht so genau, dafür mit der eigenen Wichtigkeit umso genauer nehmen, verstreicht Zeit, in der aber genügend Zeit für die Pressefotos und das ganz genaue Abchecken der übrigen Gäste bleibt. Wen sehe ich und vor allem: wer sieht mich. Nach Rede, Film, Unmengen von Fotos fürs heimische Handy, gibt es glücklicherweise an der Rückseite des Hotels einen Foodtruck. Über die Kunstsinnigkeit seiner Klientel wohl illusionslos im Bilde, bittet der Veranstalter wenigstens dem Künstler und Stargast des Abends vorher den Weg zur rückseitig gelegenen Galerie zu ebnen, bevor die Gäste zum Foodtruck eilen. Diese kommen beiden Bitten gerne nach.

War da noch was? Ach ja…

…es ging es ja noch um Kunst. Die wurde sogar ausgestellt. Und das ziemlich gut. Sehr gut sogar. Andreas Baumgartl, der Galerist, hat zusammen mit Manuel Moosherr und Ted Bauer von Premium Modern Art eine umfangreiche Ausstellung von James Francis Gills Marilyn-Monroe-Bildern kuratiert. Pop-Art vom Feinsten.

James Francis Gill – als letzter lebender Vertreter der amerikanischen Pop-Art Bewegung – hat sich mit stolzen 89 Jahren auf den Weg nach München gemacht, um der einzigartigen Präsentation seiner Marilyn Monroe Serie beizuwohnen. Nach kurzen Worten von Andreas Baumgartl und einer Einführung von Manuel Moosherr sahen wir einen Kurzfilm, welcher die Besonderheit von Gills Marilyn-Serie hervorhebt: so zeigt Gill nicht nur die vielfach zitierte und kopierte Ikone der Pop-Art Bewegung, sondern offenbart in vielen Werken Marilyn Monroes Zerbrechlichkeit, an der sie letztendlich auch zugrunde gegangen ist.

Hollywood frisst seine Kinder. Pop-Art hält sie am Leben.

Hollywood schluckte ihre zarte Seele und so war es Gills Anliegen, unmittelbar nach Monroes Tod, als die Nation noch unter Schock stand, mit seinem Marilyn Triptychon ihr ein ikonografisches Andenken zu schaffen, welches sie zwar teils nackt, aber dennoch nicht bloßgestellt zeigt. Nacktheit als Ausdruck von Authentizität und seelischer Offenbarung. Und damit schuf er Kunstgeschichte, denn das Marilyn Triptych wurde noch 1962, dank der großzügigen Schenkung des Sammlerpaares de Ménil, in die permanente Sammlung des MoMa in NewYork aufgenommen.

Last man standing. Pop-Art und seine Vertreter.

James Francis Gill war neben Andy Warhol und James Rosenquist einer der ersten, der unmittelbar nach Monroes Tod Werke schufen, die heute von kunstgeschichtlicher Bedeutung sind. Es folgten Tom Wesselman, Claes Oldenburg und Robert Indiana. James Francis Gill ist der einzige noch lebende Vertreter dieser amerikanischen Pop-Art-Bewegung der ersten Stunde. Baumgartl hat zusammen mit Moosherr und Bauer das fast unmögliche geschafft, nämlich das Triptychon nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder außerhalb des MoMas zu zeigen. Damit hat die Ted Bauer von Premium Modern Art auch ein bisschen Ausstellungsgeschichte geschrieben…

In der Ausstellung “James Francis Gill – The Marilyn Monroe Paintings” dominieren die bunten, poppigen Marilyn Portraits. Expressiv und sinnlich, von großformatig bis hin zu kleinen Gemälden springt einem Marilyns Konterfei ins Auge. Aber es gibt auch ein paar wenige, monochrom gehaltene Bilder. Sie zeigen in meinen Augen am stärksten die fragile Sinnlichkeit Monroes, ihre Zerstörung, ihr zerrissenes Schicksal und ihre zeitlose Schönheit, der man sich auch 70 Jahre nach ihrem Tod nicht entziehen kann. Mein Lieblingsbild bewegt sich dabei im sechsstelligen Bereich, befindet sich aktuell also jenseits meiner Erwerbsmöglichkeiten…

James Francis Gill. Mit Pop-Art und Cowboyhut aus Texas.

Wer in James Francis Gill übrigens nur einen geschäftstüchtigen Duplikator von Marilyns Konterfei sieht, der irrt. Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Andy Warhol war Gills Œuvre viel weitreichender, sehr politisch und am damaligen Zeitgeschehen orientiert. Er kritisierte die Kriegsstrategien der USA, setzte sich mit gesellschaftlichen Strömungen intensiv auseinander und erwarb sich damit einen Ruf als feinsinniger Beobachter, der Gesellschaftskritik sowohl mit Abstraktion als auch fotografischer Klarheit darstellen konnte. Nicht Teil dieser Ausstellung, aber wert, der Sache tiefer auf den Grund zu gehen.

Und wer die Gelegenheit hatte, so wie wir bei der Vernissage, diesen wunderbaren, in sich ruhenden Mann persönlich kennenzulernen, konnte sich kaum seiner besonderen Ausstrahlung entziehen. Bescheiden, aufrecht, so stand der gebürtige Texaner da mit seinem Cowboyhut. Es hatte nichts von Folklore, es war Ausdruck seiner amerikanischen Persönlichkeit, ein Charakterkopf aus Zeiten eines Kennedy und einer Monroe. 

Und so signierte James Francis Gill das Coffee Table Book “James Francis Gill – Mariliyn Monroe – Paintings” und die verkauften Bilder mit stoischer Ruhe und Freundlichkeit. Welche – wohl zur Freude des Galeristen – gefühlt im Minutentakt den Besitzer wechselten. Und natürlich von ausreichender Fotodokumentation begleitet wurden. Es gab eine lange Schlange all derer, die wenig von den Bildern, aber viel vom Foodtruck und an Selfies mitnahmen.

Und zugegebenermaßen wollte auch ich nicht diese Gelegenheit verpassen, mich mit der letzten lebenden Ikone der Pop-Art ablichten zu lassen. Ich setzte mich also eine Stunde in den Raum, in dem Gill und sein Galerist wirkten, bis tout Munich sich durchfotografiert hatte. Ich beobachtete das Geschehen, die Eitelkeiten, Frauen und Männer, die sich mal mehr, mal weniger gelungen zurechtgemacht hatten. Und so hatte dieser Abend ungewollt mehr Hollywood als einige Protagonisten beabsichtigt hatten. 

Geht Marilyn…

Und dann landeten auch wir noch am Foodtruck, der teilweise mehr Besucher als die Galerie zu verzeichnen hatte. Die Hotdogs und Pommes waren aber auch köstlich. Der gereichte Wein ebenso. Der Abend endete zuhause mit einer intensiven Diskussion am heimischen Tisch, ob Marilyn Monroe und die Pop-Art Kunst, die ihr gewidmet ist, die Zeiten überdauert oder mit unserer Generation und einer letzten Verbindung zum damaligen Geschehen irgendwann stirbt. Meine Tochter glaubte eher an ein Verschwinden, da ihre Altersgenossen die Filme nicht mehr kennen, vielleicht noch einige Auszüge als TikTok- oder Instagram-Snippets.

..oder bleibt sie?

Ich hingegen glaube, dass diese einzigartige Mischung von realer Person und einem archetypischen Schicksal, geradezu aus einer antiken Tragödie, sich aus der Zeit löst, diese überdauert und eine Ikone bleiben wird. Marilyn Monroe ist die zeitlose Mischung aus Sinnlichkeit, Unschuld, Einsamkeit, erotischer Sehnsüchte, unvergleichlichem Glamour und Anziehungskraft, eine Frau, die viele besitzen wollten und letztendlich niemand besaß und deren Tragik ein unauflösbares Rätsel bleibt. Stoff für unsterbliche Legenden. Die Mona Lisa des 20. Jahrhunderts. Und James Francis Gill hat seines dazu beigetragen.

In 500 Jahren wissen wir mehr…

Fotos: Wolf Heider Sawall

Foto von Wolf Heider-Sawall und mir: Gisela Schober

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