Immer ein Ziel vor Augen

Christian Greiner, CEO des Traditions-Kaufhauses Ludwig Beck im Gespräch.
Christian Greiner. CEO von Ludwig Beck
Christian Greiner. CEO von Ludwig Beck

Christian Greiner, CEO des Münchner Traditions-Kaufhauses Ludwig Beck im Gespräch

Er hat sein Büro im Herzen Münchens, mit Blick auf den schönen Marienplatz und seinen Sehenswürdigkeiten. Seine Mitarbeiter führte er durch die Pandemie und sorgte dafür, dass ein Traditionsunternehmen in den herausforderndsten Zeiten der letzten Jahrzehnte überlebte. 

Und nein, die Rede ist nicht vom Oberbürgermeister Münchens, sondern von Christian Greiner. Er ist Vorstandsvorsitzender des Münchner Luxuskaufhauses Ludwig Beck und Chef des Aufsichtsrates der Modekette Wöhrl, die sein Großvater einst gründete. 

Für das Onlinemagazin Stadtlocke haben wir ihn gefragt, was ihn antreibt, welche Bedeutung Musik für ihn hat, wo er sich Inspirationen und Motivationen holt, ob er rückblickend anders entschieden hätte und wie er einen kühlen Kopf behält. 

Herr Greiner, herzlich willkommen bei Stadtlocke, dem Onlinemagazin für Kultur, Menschen und Stadtgeflüster. Neben den erwähnten Unternehmen besitzen Sie außerdem ein Music Label, für das Sie selbst produzieren und einspielen – die Chillout Rockerz. Das klingt alles nach sehr viel Arbeit und vor allem nach einer guten Organisation als Voraussetzung für all diese Unternehmen. Wie sieht die erste Stunde Ihres Tages aus?

Da gibt es noch mehr Unternehmen. Ich habe darüber hinaus noch zwei Marketingagenturen – nuts communication und we love pr – mitgegründet. Mein Tag beginnt vor allem mit Lesen meiner Mails. Bei mir läuft sämtliche geschäftliche Kommunikation über Mails, über´s Telefon. So kann ich die wichtigsten Dinge des Tages planen und immer im Überblick behalten.

Die Musik scheint eine besondere Rolle in Ihrem Leben zu spielen. Wie bleibt Ihnen aktuell noch Zeit, das Projekt Musik und ein eigenes Label voranzutreiben?

Das Projekt entstand mit meinem Freund und Partner Gunther Göbbel aka Geeno Smith aus Freude an der Musik. Dennoch war uns beiden klar, dass die Musik ein Fulltime-Job ist, welcher nicht nebenbei existieren oder gar florieren kann. Natürlich wollten wir unsere Musik auch veröffentlichen, sodass sie gestreamt und angehört werden kann. Das wiederum geht nur mit einem Label und einem Distributor, wofür wir sogar Sony gewinnen konnten. So haben wir einige Compilations eingespielt und herausgegeben. Für mich ist es letztendlich ein Hobby geblieben. Mir fehlt die Zeit dazu. Mein Partner hingegen betreibt die Musik hauptberuflich und verdient damit sein Geld. 

Das Einzige, wo ich aktuell sehr unterstützend bin, ist die musikalische Karriere meiner Frau. Sie ist seit einiger Zeit professionell als DJ (Anmerkung: Just another DJane) unterwegs, ich habe sie dazu ermutigt, dies weiter auszubauen. Inzwischen legt sie in namhaften Clubs auf. 

Gibt es im Hause Greiner einen Battle zwischen Ihnen und Ihrer Frau, wenn Sie Musik hören? Sie sind ja eher Rock-lastig, Ihre Frau im Bereich Electro unterwegs… 

Ich mag beides, bin in meinem Musikgeschmack nicht festgelegt. Aber es ist eher so, dass ich selten Musik höre, weil ich sie nicht nebenbei laufen lasse, ich höre sie sehr aufmerksam. Und wenn dann ausschließlich. Manchmal höre ich im Auto Musik, aber am liebsten erlebe ich Musik bewusst, dafür brauche ich Zeit. Ich höre auch keine Musik beim Sport. Beim Laufen habe ich die Möglichkeit, Themen zu verarbeiten, nachzudenken. Ich wäre nach fünf Minuten Sport mit nebenbei Musik hören fix und fertig und aus der Puste, weil ich meinen eigenen Rhythmus verloren hätte. 

Sie leiten mehrere Unternehmen. Wie oft gehen Sie noch ohne festes Ziel vor die Tür?

Kann man überhaupt ohne ein festes Ziel vor die Tür gehen? Irgendein Ziel hat man doch immer, wenn man das Haus verlässt.

Meine Frage bezog sich auf Ihr Zeitmanagement. Bleibt da noch Zeit für Spontanes?

Die Frage haben mir schon Viele gestellt, wie ich zeitlich alles unterbringe. Ich lasse mich nicht kasteien, lasse mich nicht in der Mühle von Verpflichtungen mahlen. Ich muss nicht als letzter das Licht ausmachen, nur weil ich die Verantwortung im Unternehmen trage. Vertrauen und Delegierung ist das Zauberwort. Wenn ich mal keinen guten, produktiven Tag habe, lasse ich es auch sein. Es bringt nichts, sich zu etwas zu zwingen. Wenn man mal nicht produktiv ist, dann sollte man es auch für den Moment gut sein lassen. Auch Vertrauen in sich zu haben, dass es wieder produktiv weitergeht. Treiben lasse ich mich eigentlich nur bei Städtetrips. 

Sie sind sehr kultur- und kunstaffin, wie man auch bei den Kunstaktionen und -präsentationen bei Ludwig Beck sieht. Gibt es eine Kunstrichtung oder einen Künstler, der Sie besonders begeistert?

Ich mag sehr die abstrakte Malerei, allen voran Jackson Pollock. Ich bewundere Künstler, die in ihren eigenen Stil gefunden haben. So wie eben auch Andy Warhol oder Damien Hirst. Sie sind unverkennbar. Ich liebe es, wenn Künstler für sich eine Nische gefunden haben, in der sie herausragend sind. Solche Künstler möchten wir auch bei Ludwig Beck präsentieren, wie aktuell Ron Galella, den wir gerade in unserem Schaufenster zeigen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bei der Kunst intolerant bin, bei Musik hingegen tolerant. Diese kann auch mal Schlager beinhalten. 

Auch Helene Fischer?

Helene Fischer ist wahnsinnig talentiert und unglaublich diszipliniert. Sie hat eine großartige Stimme, trainiert hart und versteht es, Tausende in ihren Konzerten zu begeistern. Das heißt nicht, dass ich ihr Konzert besuchen oder ihre Musik ständig hören möchte, aber ich respektiere ihre Leistung. Aber es gibt Kunst, bei der ich nicht verstehe, dass sie gezeigt wird oder populär ist. Ich sehe in manchen Galerien Kunst, mit der ich nichts anfangen kann. Natürlich erschließt es sich einem mehr, wenn man sich die Werke erklären lassen würde. Aber in so einem Augenblick zieht mich nichts in die Galerie. Im Übrigen bin ich auch kein Fan von Jeff Koons. 

Wenn Sie etwas ändern könnten, was würden Sie heute Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?

Ich bin im Großen und Ganzen sehr mit meinem Leben zufrieden. Aber wenn ich etwas rückblickend ändern würde oder zumindest anders bewerte, dann, dass ich mehr Einsatz in der Schule hätte zeigen können.

Haben Sie die Schule gehasst?

Absolut, ich habe mich durchlaviert, Stillsitzen und Lernen war nicht mein Ding, ich habe eigentlich erst in der Kollegstufe, als es auf das Abitur zuging, angefangen aktiv zu lernen. Ich hatte da ein konkretes Ziel vor Augen, das Abitur. Da hatte ich mehr Motivation.

Haben Sie abgeschrieben?

(lacht) Das würde ich unter Zeugen niemals sagen. Mein Lehrer in der Mittelstufe meinte: „Ich weiß, dass du abgeschrieben hast, ich weiß nur nicht wie, allein dafür gebe ich dir eine gute Note.“ 

Was haben Sie stattdessen gerne gemacht?

Gitarre gespielt. Meine Mutter hat mich natürlich, wie Eltern das so machen, in sämtliche Kurse geschickt: Klavier, Tennis etc. Dann fing ich an, Gitarre zu spielen und ab diesem Moment gab es nichts anderes. 

Sie haben zeitgenössische Musik, Tontechnik und Management in den USA studiert. Wie erging es Ihnen im Studium?

Das Studium war meine freie Wahl und ich habe mich total reingehängt. Da war das Lernen kein Thema mehr. 

Wie schafft man den Sprung vom leidenschaftlichen Musiker zum unternehmerischen Macher?

Das unternehmerische Denken ist in unserer Familie verankert. Ich habe im Alter von 10 Jahren angefangen, im Unternehmen meines Vaters zu jobben und mit 14 stand ich im Verkauf. Das hat mir immer riesigen Spaß gemacht. Im Übrigen ist für mich eine Verkaufsfläche auch eine Bühne. Bei einem Konzert zum Beispiel begeistert mich nicht nur die Musik, sondern mich fasziniert auch die Art der Inszenierung, die Lichtshow, das Bühnenbild. Das ist, was wir auch bei Ludwig Beck machen. Nur dass eben ein Produkt in Szene gesetzt wird. Es ausleuchten, eine Atmosphäre erzeugen, mit Musik unterlegen. Ein Erlebnis für die Kunden erschaffen. Ich kann auch für den Handel ein kreatives Umfeld erzeugen.

Gibt es bei familiären Zusammenkünften ausgemachte Zeiten, in denen explizit nicht übers Geschäft gesprochen wird?

Das ist der große Unterschied zwischen einem Berufstätigen und einem Unternehmer. Ich lasse meine Arbeit nicht vor der Tür. Unternehmertum ist quasi die DNA unserer Familie. Da gibt es keinen Cut und keinen Ausschluss bei bestimmten Themen. 

Fragen Sie noch um Rat?

Ich frage um Rat. Aber der Zusammenhang macht den Unterschied. Im operativen Geschäft kann mir jemand aus meinem Team Vorschläge machen, die man überdenkt. Aber in unserer Branche gibt ja sowieso keine Schablone, nach der man arbeitet. Es ist keine Physik oder Statik, die nach festgeschriebenen Gesetzen funktioniert. Es gibt in unserer Branche nicht richtig oder falsch. Die ständige Frage ist: was will der Kunde. Und das ändert sich eben auch ständig. Ich habe in meiner Position nicht so viele Menschen, die mich ehrlich reflektieren, sodass ich auch etwas damit anfangen könnte. Mein Vater und meine Frau, die können das. 

Gibt es bestimmte Werte, die für Sie von fundamentaler Bedeutung sind und Sie durch private und berufliche Herausforderungen tragen? Ich frage dies auch in Bezug auf die Pandemie.

Zuverlässigkeit. Ehrlichkeit. Und im Zusammenhang mit der Pandemie: nicht aufgeben. Es gibt immer eine Chance. Man könnte es Optimismus nennen. Einfach weitermachen, wenn man am Boden liegt. Sich immer die Frage stellen: Wie kann ich das Problem gut lösen und sich eben nicht vom Problem erschlagen lassen. Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, das sind für mich die wichtigsten Tugenden. 

Wie haben Sie die Zeit der Pandemie erlebt? Wie haben Sie es geschafft, nicht die Nerven zu verlieren? Immerhin ging es um einige hundert Arbeitsplätze.

Ich möchte sagen, das war die bisher intensivste Zeit meines Lebens. Ich hatte mehr Stress als je davor. Es gab ja keine Blaupause, keine Erfahrungswerte, auf die man hätte zurückgreifen können. Jetzt ist zwar auch eine schwierige Phase, aber man kann wieder planen. Aber während der Pandemie konnte man keine Idee weiterverfolgen. Das war die krasseste Herausforderung, der ich mich bisher zu stellen hatte. Man hatte auch keine zeitliche Perspektive. Von jetzt auf gleich stellte sich die Frage: wie unterhalte ich ein Unternehmen, wie erhalte ich Arbeitsplätze? (Stadtlocke Einschub: Ludwig Beck hat trotz der schwierigen Situation keine Mitarbeiter entlassen) Kann der Staat unterstützen oder nicht? Wenn ja, dann wie? Das paralysiert schon erstmal ziemlich krass.

Aber schließlich sucht man nach kreativen Lösungen. Und das macht auch einen Unternehmer aus. Man fragt sich, wie kann ich diese Herausforderung jetzt neu interpretieren? Und dann wird man spitzfindig. Wir haben es geschafft, dass unser Beauty Store in den Fünf Höfen öffnen konnte. Schließlich haben wir dort auch Drogerieartikel verkauft. Ob hoch- oder niedrigpreisig ist ja erstmal zweitrangig. Douglas wiederum hat dem kleinen Shitstorm nicht standgehalten. Auch wir haben einen Shitstorm in der Bild-Zeitung kassiert. Aber das muss man dann eben auch aushalten können. Und wenn man es aushält, dann geht es auch vorüber. 

Nehmen Sie dennoch manche Angriffe persönlich?

Auf jeden Fall, aber natürlich bekommt man mit der Zeit ein dickeres Fell. Aber es gibt schon Dinge, die mich persönlich wütend machen und mich auch kränken. Ich kann da keine pauschalen Situationen benennen, sondern eher, wenn man direkt angegriffen wird oder es mir nahestehende Personen trifft. 

Gab es während der Pandemie einen Austausch der Einzelhändler untereinander?

Ja klar, aber eher so: hast du schon was Neues gehört? Wie wird das in anderen Bundesländern gehandhabt? Es mussten ja ad hoc neue Infrastrukturen geschaffen werden. Wie kann ich mit meinem Team und das Team untereinander korrespondieren? Bei Ludwig Beck haben wir einen sehr guten Work-Spirit. Aber wie ist das, wenn ich die Menschen nie sehe? Das reicht von einer geschäftlichen Abstimmung bis hin zu einem persönlichen Glückwunsch. Wie erreiche ich die Leute, wie baue ich so eine Struktur auf? 

Warum glauben Sie noch in Zeiten der Digitalisierung, von KI und all den weiteren technischen Neuerungen an den Einzelhandel?

Warum sitzen wir beide hier? 

Sagen Sie´s mir. 

Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen im Austausch sein, uns begegnen. Videocalls gehen den Leuten schon langsam auf den Keks. Warum fahren Leute an den Strand? Sie könnten stattdessen einfach Sand im Wohnzimmer schütten und eine Lampe aufstellen. Wir wollen die Welt sehen und sie nicht nur auf einem Bildschirm präsentiert bekommen. Ich denke, online und offline wird eine Balance finden. Viele Onlinekonzepte merken ja jetzt, dass sie so nicht mehr profitabel funktionieren. Wenn die Leute jetzt Fracht- und Retourkosten aufwenden müssen. Für das Geld kann man sich auch eine Fahrkarte kaufen und in die Stadt fahren. 

Es ist doch wie in einem guten Restaurant: Man muss den Menschen etwas Besonderes bieten. Fast niemand braucht dringend etwas. Man geht auch nicht ins Restaurant, weil man Hunger hat, sondern weil man etwas erleben möchte. Und deswegen hat der stationäre Handel seine Berechtigung. Wie viele Konzepte am Ende überleben werden, das wird man sehen. 

Schenken Sie gerne?

Sehr gerne.

Gibt es etwas, das Sie besonders gerne schenken?

Sagen wir so: Es gibt nicht so viele Menschen, die ich beschenke. Was ich nicht mag, ist Geiz. Ich mag Menschen, die gerne geben. Und dabei geht es um die Geste und nicht um den Wert des Geschenkes. Wenn ich jemanden beschenke, erwarte ich nicht, dass er sich mit einem Gegenwert revanchieren muss. 

Letzte Frage: lieber Urlaub auf der einsamen Insel oder eher Städtereise?

Ich mache nicht viel Urlaub. Erholen kann ich mich tatsächlich auf einer Insel mitten im Meer, wo man nicht sofort wieder wegfliegen kann. Also eine schöne Location, mit Blick auf das Meer, gute Restaurants – da kann ich abschalten. 

Städtereisen sind für mich reine Inspirationen. Ich fahre in Städte, um mir neue Einzelhandels- oder Hotelkonzepte anzuschauen. Man kann sich auf diesen Reisen immer von anderen Branchen anregen lassen und somit neue kreative Ideen für den Job, das Unternehmen sammeln. Zu sehen, wie sich in anderen Städten der Handel präsentiert, ist für mich ein großer Reiz.

Herr Greiner, vielen Dank für das Gespräch.

Jede Interviewpartnerin, jeder Interviewpartner hat die Möglichkeit, sich im Rahmen unserer wöchentlichen Radiosendung „Nightflight“ auf Radio C Luxembourg einen Song wünschen. 

Christian Greiners Wahl ist „Comfortably Numb“ von Pink Floyd in der Live Version.

Nightflight” mit Susanne Graue und Wolf Heider-Sawall, jeden Donnerstag live von 22h bis 24h und am Sonntag in der Wiederholung von 15h bis 17h auf Radio C Luxembourg.

Fotos: Wolf Heider-Sawall

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