Altaaa! Boomer vs GenZ

Arno von Rosen über Leben und Leidenschaft als Boomer.
Arno von Rosen. Zeichnung des Autors.

Ein Gastbeitrag von Arno von Rosen

Boomer müssen viel ertragen…

Babyboomer sind die Generation von 1950 bis 1964. Ich gehöre freundlicherweise dazu. Danach kam Generation X, die natürlich auch in den wilden 80ern mitspielen durften. Stadtlocke hat mich eingeladen, auch meinen Senf zur aktuellen Bullshit-Debatte Boomer vs GenZ dazuzugeben. Kommen wir zu den 80ern. Die neuen Generationen werfen uns gerne vor, den Planeten verschlissen zu haben – die Erde, das kleine Blaue in unserem Sonnensystem. 

Aber die Wahrheit ist: wir hatten keine Ahnung vom Ozonloch, bei uns waren die Schulwege noch verschneit und wir blieben bei Frost noch mit der Zunge am neuen Alugeländer hängen. Gerade hatten wir verdaut, dass es eine Gurtpflicht gab, man mochte es kaum glauben, noch ohne jegliches Gepiepse und Geblinke raumschiffartiger Armaturen. Wir konnten noch eine Gurke von einem Kaktus unterscheiden und viele von uns hatten noch eine Omi, die lecker für uns kochte – wann immer wir dort aufschlugen. Wir haben die „Golfklasse“ erst begründet und auf Käfern fahren gelernt, mit zwölf Jahren oder so. Papa sah´s nicht so eng und die Nachbarn auch nicht. 

Mädels und Musik

Wenn wir von Mädels abserviert wurden, hatten sie noch den Anstand, uns durch die beste Freundin einen Zettel zukommen zu lassen und nicht via Whatsapp oder SMS. Manchmal sogar höchstpersönlich, indem sie uns direkt vor der Nase einfach mit ´nem fremden Typen rumknutschten. Das hatte noch echte Klasse!

Musiktechnisch hatte ich gerade die Neue-Deutsche-Welle hinter mir gelassen, da wurde ich 1982 überraschenderweise achtzehn Jahre alt, kann mich aber nicht genau an den Abend erinnern, weil ich ja mal ein bisschen was trinken sollte. Altaaaa! Damals war BAP ganz groß mit „Verdammt lang her“, aber schnell entdeckte ich meine Liebe zur Black Musik aus den USA. Von Hip-Hop über Soul und Funk bis Rap. Die 90er entfernten sich von meinem Geschmack und waren mir schon zu Techno lastig, aber was solls. Jedem das seine und der Stadtlocke ihr House. 

Computer und Karriere

Wer erinnert sich noch an die Computeranfänge? 1983 eröffnete mein Stiefvater den ersten PC-Laden in Eschwege und stellte mich als Geschäftsführer ein. Wie in Familienunternehmen üblich, verdiente ich eine Mörderkohle und musste kaum mal im Geschäft erscheinen. Damals hatte ich die komplett wirre Idee, das Geschäft mit Spielekonsolen zu füllen, weil ich da großes Potential erahnte, aber der Boss sagte: „Es wird nie derartige Spiele für die Massen geben, höchsten Schach.“ Ein Laptop wog damals etwa 16 kg, hatte wahnwitzige 8 MB Arbeitsspeicher und kostete 5500 DM. Die Riesenrechner kosteten 10.000 Okken und trumpften mit 16 MB auf. Mehr würde kein Mensch je benötigen, sagte ein unbekannter Typ namens Bill Gates. 

Nachdem ich mir die trainierten Beine in meinen sexy Boomer-Arsch gestanden hatte, trennten sich unsere geschäftlichen Wege und ich verdiente mein Geld mit Kunst, in Fabriken, als Model, Tänzer oder sonst was, Hauptsache ich hatte genügend Kohle fürs Wochenende und so vergingen fünf Jahre in denen ich kein Wochenende zu Hause war.

Sex und Selters

Kommen wir zu Sex in den 80ern. Ja klar – hättet ihr gewusst, dass ich auch dieses Thema behandle, hättet ihr nicht den Anfang gelesen. Meine Boomer-Methode, Frauenherzen zu erobern, war nicht weit verbreitet. Ich habe einfach so lange zufällig zu einem Mädchen rüber geguckt, bis sie mein Werben, nach Monaten in einem dunklen Schuppen mit grellen Lichtern, wahrgenommen hat. Meine Tanzkarte für die Disco war immer voll und manche kamen sogar jedes Wochenende 100 km aus der Ferne, um mit mir das Tanzbein zu schwingen, aber ich habe mich immer nur EINER verschrieben, so ein Pech. 1986 wollte ich mir nach über einem Jahr beziehungsfrei mal etwas gönnen und ließ mich für einen One-Night-Stand abschleppen. Na ja, es lief dann ganz gut und wir haben uns noch ein allerletztes Mal getroffen. Jetzt, nach 39 Jahren Beziehung muss ich zugeben, die Sache nicht ganz durchdacht zu haben, aber so waren die 80er, leicht beschwingt, nie schwarz/weiß, aber laut, wild und noch vertrauenserweckend. 

Das Alter und Talente

Zwei unfassbare Ereignisse in meinem Leben beschreiben den großartigen Bogen meines Boomer-Lebens von den 80ern zur Jetztzeit. Das Erste war im Jahr 1985 bei einer Sitzung meines Footballvereins. Die erste Runde Getränke (meist Bier) wurde gerade von der Kellnerin abgeholt, während ich gelangweilt, wie immer, mit den Händen in den Hosentaschen auf einem unbequemen Holzstuhl saß. Ich vermutete, dass die junge Frau nicht weit mit ihrem Tablett kommen würde und so war es auch. Das ganze Zeug auf dem Tablett flog durcheinander und eine Bierflasche machte sich auf den Weg zum Boden, um dort in tausend Stücke zu zerspringen. Ich dachte kurz nach, während die Bierpulle schon den Weg nach unten antrat, wie ich diese fangen sollte und entschied mich, meinen Zeigefinger im richtigen Moment in den Flaschenhals zu stecken, was natürlich gelang. Überraschend waren das Gejohle und der Applaus, den ich dafür bekam. Für mich war die Reaktionsgeschwindigkeit nichts Neues, für andere wohl schon.

Etwa sieben Jahre hielt die Geschwindigkeit noch an, bevor ich merkte, dass es sich um ein vergängliches Talent handelte. Letztes Jahr dann ein neuer unfassbarer Rekord: endlich 60! Ab und zu müde, schlug ich die Decke zur Seite, stieg mit dem Knie auf die Matratze, verlor die Schlappen an den Füßen, fiel auf den Bauch und schlief augenblicklich ein und erwachte genau in dieser Position am nächsten Morgen. Alles in einem einzigen Leben. Was für eine Skala. Meine Therapeutin sagte mal zu mir, wenn ich 80 werden würde, hätte ich in den ersten 50 Jahren bereits jede Energie verpulvert. Das kann man so stehen lassen. Ich dachte, dies könntet ihr ja mal wissen. Euer Arno. 

Der Autor: Arno von Rosen, langjähriger Facebook Freund von Stadtlocke, ist seit 1982 einer dieser ganz harten Boomer und Biker, der mit vielen Tattoos und unfassbar vielen Piercings. Rein virtuell, denn so Arno: „Ich lasse mich nicht löchern und ich habe etwa 30 Jahre über die richtige Tätowierung nachgedacht habe. Bis mir auffiel, dass ich bereits zu alt für ein Arschgeweih oder einen Blitz am Hals war.“ Er unterhält seine Social Media Community fast täglich mit humoristischen Einlagen – aus denen „Altaaa“, „Ich denke, das solltet ihr wissen“ und „Wisster Bescheid“ zu Kult-Statements geworden sind. 

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Comments 2
  1. Es ist eine Freude auf der Seite von meiner lieben Stadtlocke zu erscheinen. Ich habe die Babies ja in mein Herz geschlossen und wir teilen denselben HUmor. Gut, meiner ist etwas schräger, aber irgendwas ist ja immer 😉 Viel Spaß beim Lesen, Arno …

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